ANJA CIUPKA |
Stefanie Kreuzer. In: Compilation II. Hg. Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf 2005.
Die Werke von Anja Ciupka berühren oftmals auf unterschiedliche Art und Weise die Grenzziehung von Räumen beziehungsweise die Besetzung von Plätzen. Indem die Künstlerin bestimmte Zeichen und Markierungen außerhalb ihrer ursprünglichen Bedeutungen und Funktionen verwendet – wie beispielsweise einen Mast mit Alarmsirene, Fluter und Rundumlicht oder einen Ballfangzaun –, versetzt sie Außenräume in Innenräume und verändert zugleich die Konnotationen der verlagerten Objekte. In der Arbeit Überfall auf Meckis Ranch (2004) dokumentiert sie in einem Video, wie zwei maskierte Personen einen Alarmmast vom Gelände eines Schrebergartens entwenden. Anstatt in das zu beschützende Objekt einzudringen, wird dessen Alarmanlage entfernt. Die Künstlerin dekonstruiert damit sinnbildlich das Territorium, welches durch den Mast als scheinbar geschützter Raum definiert wird. Mit der Aufstellung des Mastes im bewachten Ausstellungsraum führt sie zugleich die Funktion des Objektes als Schutzvorrichtung ad absurdum.
In der Installation Ballauffangzaun richtet Anja Ciupka 2004 in ihrem Atelier in der Kunstakademie Düsseldorf einen handelsüblichen Zaun auf, der einen Teil des leeren Raumes in der Weise abtrennt, so daß er nicht mehr vom Betrachter betreten werden kann. Beim Rezipienten löst dies Irritation aus, da die Frage der Grenzziehung in dieser Arbeit explizit aufgerufen wird. Welchen Standpunkt nimmt der Betrachter ein? Befindet sich der Rezipient vor oder hinter dem Zaun? Wird schon allein dadurch, daß sich der Betrachter nur auf einer Seite befindet, eine gewisse Wertigkeit erreicht? Welcher Teil des Raumes ist der abgegrenzte und damit der inszenierte? Bei näherer Betrachtung wird deutlich, daß die Stäbe des Zaunes den Betrachter auf die Innenseite der Installation plazieren – wobei in einer zweiten, nicht realisierten Arbeit der Künstlerin durch die geplante Verlegung der Eingangstür das Verhältnis ins Gegenteil verkehrt werden sollte. In beiden Arbeiten experimentiert Anja Ciupka mit der Reduktion beziehungsweise mit dem Verschwinden des Objektes. Sowohl beim Mast als auch beim Zaun handelt es sich in ihrer physischen Ausdehnung um eher einfache Konstruktionen, denen es aber gelingt, durch ihre Präsenz fast den gesamten Raum einzunehmen und ihn somit auf eine bestimmte Art und Weise erneut zu besetzen.
Davon zeugt auch die Arbeit Skooter (2005). Zwei einem laufenden Fahrgeschäft entliehene Skooterwagen stehen auf der spiegelnden, grauen Bodenfläche des Emporensaals der Kunsthalle. In knapp drei Metern Höhe erstreckt sich darüber diagonal in den Raum die in einem Aluminiumrahmen verspannte Fläche eines 9 mal 13 Meter großen Drahtnetzes. Trotz der offenen Struktur des Maschengewebes, die den Blick auf die benachbarten Arbeiten freigibt, nimmt die Konstruktion einen Teil des Raumes ein und definiert die Wahrnehmung seiner Höhe und Ausrichtung neu. Gleichzeitig signalisieren die Skooter durch die fehlende Bodenbegrenzung eine Ausdehnung der Fahrfläche auf den gesamten Ausstellungsraum. Wiederum versetzt die Künstlerin ein Element des Außenraums ins Innere, und zugleich gelingt es ihr, mit einem ephemeren, in seiner physischen Präsenz eher reduzierten Element den gesamten Raum zu dominieren. Die Skooterautos stehen über zwei Stromabnehmer mit dem Drahtnetz in Kontakt, über das auf der Kirmes der Strom für den Betrieb der Wagen zuführt wird. Auch hier thematisiert Ciupka die Problematik von Realität und Fiktion, indem sie die Lampen der Fahrzeuge leuchten läßt. Der Betrachter wird in Versuchung geführt, die Wagen zu besteigen, er möchte wissen, ob die Bedienung des Gaspedals oder der Einwurf eines Chips zum gewünschten Fahrvergnügen führt. Erinnerungen und Emotionen an das auf der Kirmes suggerierte Traumland von Freiheit, Fernweh und Regellosigkeit werden aufgerufen. Die zwei Bumper Cars reichen aus, um alle Vorstellungen des Crashs, des entgegen der Fahrtrichtung und um die Wette Fahrens zu evozieren. An den Strommasten befinden sich die bei Skootern üblichen Nationalflaggen. Auf der Kirmes im Fahrtwind wehend hängen sie nun lose herunter. Die beim Betrachter geweckten Bedürfnisse werden nicht eingelöst, der tatsächliche Funktionszusammenhang bleibt im Verborgenen. Somit wirft die Installation die Frage auf, wie eine bestimmte Illusion erreicht wird oder: Wieviel Wirklichkeit braucht man, um eine Fiktion zu erzeugen?
Stefanie Kreuzer